
Stadtumbau in DDR-Siedlungen - Projekte - Flächiger Abriss - Cottbus - Neu Schmellwitz
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Objekt:
- Wohngebiet Neu Schmellwitz
- Plattenbauten P2, WBS 70, 5-6 Geschosse, Bauzeit 1985 - 1991, 5500 Wohnungen, 154 Hektar
- im Nordteil: Wohngebiet Mina-Witkojc-Straße, Erschließung ab 1994, Neubau von Mehrfamilien- und Einfamilienhäusern, 4,8 Hektar
- Schulen, Kindertagesstätten, Einkaufszentrum "Zuschka"
Bauherren:
- Stadt Cottbus
- Gebäudewirtschaft Cottbus GmbH (GWC)
- Gemeinnützige Wohnungsbaugenossenschaft "Stadt Cottbus" e.G. (GWG)
Planung:
- Machleidt + Partner, Büro für Städtebau (Berlin)
Ausgangslage:
- Wohngebiet Neu Schmellwitz hat Vorteile und Nachteile
- Vorteile
- relativ neue, intakte Bausubstanz, Chancen für Grundrissänderungen, Chancen für energetische Sanierungen, Wohnblöcke sind teilweise saniert
- attraktive städtebauliche Struktur, Wohngebiet ist von Grünzügen und Bachläufen durchzogen, gutes Angebot an Grünflächen, zahlreiche Grünflächen wurden nach 1990 mit Hilfe von Fördermitteln neu gestaltet, Bindungsfristen: 25 Jahre
- gute Wohnruhe, Wohnhäuser sind durch ruhige Wohnstraßen erschlossen, Abstand zu lauter Hauptstraße am Rande des Wohngebietes
- gutes Angebot an Parkplätzen
- gute Verkehrserschließung durch Straßenbahn
- gutes Angebot an Schulen, Kindertagestätten, Einkaufsmöglichkeiten (Einkaufszentrum Zuschka wurde 2000 eröffnet)
- überschaubare Eigentümerstrukturen, Großteil des Wohnungsbestandes befindet sich im Eigentum der Gebäudewirtschaft Cottbus GmbH (GWC) und der Gemeinnützigen Wohnungsbaugenossenschaft "Stadt Cottbus" e.G. (GWG)
- wichtige stadtstruktuelle Bedeutung - Wohngebiet liegt an der Zufahrtsstrecke zum Straßenbahn-Betriebshof Neu Schmellwitz (1998 eröffnet) und an der Fernwärmetrasse zum Heizkraftwerk Cottbus (1999 eröffnet)
- Nachteile
- 5-6 geschossige Wohnblöcke wurden ohne Aufzüge errichtet, hoher Leerstand in den oberen Etagen, gute Vermietung in den unteren Etagen
- uniforme Wohnungsgrundrisse
- Mangel an Einfamilienhäusern mit Gärten
- Wohnungsleerstand
- soziale Segregation - zunehmende Konzentration sozial schwacher Bevölkerungsgruppen
- Leerstandsquote Ende 2001: 19 Prozent (Wohnungsleerstand in der Gesamtstadt Ende 2001: 17,6 Prozent)
Maßnahmen:
- November 2002: Stadtverordnetenversammlung Cottbus beschließt Stadtumbaukonzept (STUK) für Cottbus
- Grundidee: Rückbau der Stadt von außen nach innen, flächiger Abriss in den Randgebieten Sachsendorf-Madlow und Neu-Schmellwitz, Stärkung der Innenstadt, Abriss in den DDR-Siedlungen, Aufwertung in den Stadtteilen aus der Vorkriegszeit
- Rückbau von 9000 - 9500 Wohnungen in Cottbus
- Rückbau von 2500 Wohnungen in Neu-Schmellwitz
- ab Januar 2005: Arbeitsgemeinschaft Rückbau (Amt für Stadtentwicklung und Stadtplanung, Bauverwaltungsamt, Wohnungsamt, Wohnungsunternehmen, Versorgungsunternehmen) erarbeiten Abrisskonzept für Neu-Schmellwitz
- kompletter Abriss des Ostteils, Erhalt des Westteils
- Problem: Einige Wohnblöcke im Ostteil befinden sich im Eigentum von Privateigentümern
- Häusertausch zwischen Privateigentümern und GWC zur Umsetzung des Abrisses geplant
- Oktober 2005 - Vorstellung der 1. Fortschreibung des Stadtumbaukonzeptes (STUK) für Cottbus
- Benennung einer zusätzlichen Rückbaureserve von 4000 Wohnungen für die Zeit von 2010-2020, (neben den geplanten Abrissen von 9000-9500 Wohnungen bis 2015)
- keine weitere Sanierung in Neu-Schmellwitz, übriggebliebene Wohnungen werden als "Abwartegebiet" eingestuft
- keine bauliche Nachnutzung der Abrissflächen in Neu-Schmellwitz, evtl. Aufforstung oder Nutzung als Weideland
- Herbst 2005
- Aufstockung der Abrissplanungen für Neu-Schmellwitz, Abriss von 2500 Wohnungen fest vereinbart, weitere 600 Wohnungen werden als Rückbaupotenzial festgelegt
- Juli 2006
- geplanter Häusertausch zwischen Privateigentümern und GWC scheitert
- flächige Abrisse im Südosten und Nordwesten werden geplant
- 2006: Zuzugssperre für Abrisshäuser, Freizug der Abrisshäuser, teilweise gegen den Willen der betroffenen Mieter, einige Mieter mussten abrissbedingt zum zweiten Mal umziehen
- Herbst 2006: Beginn der Wohnungsabrisse in Neu-Schmellwitz
- Schließung von Kindertagesstätten und Schulen
Ergebnisse - für das Wohngebiet Neu-Schmellwitz:
- Zerstörung der städtebaulichen Struktur, Schaffung eines Stadtbildes aus diffusen Räumen, umgestalteten Abrissflächen und leeren Häusern, umgestaltete Grünflächen werden funktionslos, müssen aber aufgrund der Bindungsfristen für Fördermittel erhalten bleiben
- Stärkung der sozialen Segregation
- Wegzug von Bürgern mit mittleren und höheren Einkommen
- Konzentration von Bürgern mit niedrigen Einkommen, die auf die preiswerten unsanierten Wohnungen in Neu-Schmellwitz angewiesen sind
- Zunahme von sozialen Problemen (Brandstiftungen, Raubüberfälle)
- Krise der öffentlichen und kommerziellen Infrastruktur
- Umsatzrückgang der Geschäftsleute im Einkaufszentrum Zuschka von 20-70 Prozent, Schließung von Läden
- wachsender Leerstand im Einkaufszentrum Zuschka,
- Unterversorgung von Neu-Schmellwitz mit KITA-Plätzen aufgrund der Schließung von Kindertagesstätten,
- Beschleunigung des Einwohnerrückganges in Neu-Schmellwitz
- November 2007: Abrisspläne für Neu-Schmellwitz werden nochmals auf 3400 Wohnungsabrisse aufgestockt
- Entstehung einer Abwärtsspirale
Ergebnisse - für die Gesamtstadt:
- Unterauslastung des Heizkraftwerkes, da in Neu-Schmellwitz zu 100 % fernwärmebeheizte Wohnungen abgerissen werden
- Anstieg der Fernwärmepreise von 42,34 Euro pro Megawattstunde (1999) auf 58,90 Euro pro Megawattstunde (2007)
- Finanzkrise der Stadtwerke, Schulden der Stadtwerke Ende 2007: 78 Mio Euro, Insolvenzgefahr
- sinkende Auslastung des Straßenbahnnetzes, da in Neu- Schmellwitz Wohnungen abgerissen wurden, die direkt an der Straßenbahnlinie liegen
- Januar 2009: im Auftrag der Stadtverwaltung erstellte Studie von PTV- Planen, Transport, Verkehr (Dresden) empfiehlt Stilllegung der Straßenbahn in Cottbus
- Mangel an preisgünstigen und kleinen Wohnungen, da in Neu-Schmellwitz zahlreiche kleine und preisgünstige Wohnungen abgerissen wurden
- Anstieg der Nettokaltmiete in Cottbus von 2005-2007 um 1,50 Euro pro qm
- Engpässe bei der Versorgung von Hartz IV-Empfängern und von einkommensschwachen Ein- und Zweipersonenhaushalten ab 2007
- Mangel an energiesparenden Wohnungen, da vor allem Wohnungen abgerissen wurden, deren energetische Sanierung problemlos gewesen wäre
- Beschleunigung des Bevölkerungsrückganges in Cottbus
- zahlreiche Bürger müssen abrissbedingt zwei- oder dreimal umziehen
- vor allem ältere Bürger sind stark verunsichert
- Wohnungsunternehmen konnten zu Beginn der Abrisse noch 90 Prozent der Mieter halten, jetzt können nur noch 60 Prozent der Mieter gehalten werden
- viele abrissbetroffene Senioren ziehen zu ihren Kindern in die alten Bundesländer
- Prognose Stadtverwaltung 2008: Rückgang der Einwohnerzahl von Cottbus bis 2020 auf 80.000 Einwohner
- Verschlechterung der Finanzlage von Cottbus
- Schuldenstand Cottbus 2007: 200 Mio Euro
- Schuldenstand Cottbus 2012 (Prognose): 260 Mio Euro
- Entstehung einer Abwärtsspirale für die Gesamtstadt