Artikel/Vorträge zum Stadtumbau - Bauwelt 48/2007
Innenstadtinitiative Gotha. Vergebliches Mühen gegen den Verfall?

Die Aufwertung der Innenstädte ist ein vielbeschworenes Ziel. Vor allem die Bundesregierung bekennt sich regelmäßig zu einer Stärkung der Innenstädte. In der Praxis allerdings stoßen selbst ehrgeizige Bemühungen zur Aufwertung der Innenstädte auf Hindernisse. Ein Beispiel ist die Stadt Gotha, die schon seit Jahren eine ambitionierte Initiative zur Stärkung ihrer Innenstadt verfolgt.

Die einstige Residenzstadt Gotha verfügt über eine wertvolle Innenstadt, die neben höfischen Gebäuden auch Bürgerhäuser und Ackerbürgerhöfe aus der Renaissance- und Barockzeit umfasst. Ab dem Jahr 2000 geriet die Innenstadtsanierung allerdings in eine Krise. Gotha hatte mit einer Schrumpfung seiner Bevölkerungszahl von 57.000 im Jahr 1989 auf knapp 50.000 im Jahr 2000 und wachsenden Wohnungsleerständen zu kämpfen. Deshalb kam die Stadtsanierung durch private Investoren ab 2000 fast vollständig zum Erliegen, stattdessen mehrten sich die Abrisse.

Auf diese Entwicklung reagierte Gotha mit verstärkten Bemühungen zur Stärkung der Innenstadt. 2002 startete die Stadt ein Projekt zur Wiederbebauung innerstädtischer Brachflächen im Rahmen der Thüringer Landesinitiative "Genial zentral". Die Stadt kaufte zunächst verwahrloste private Grundstücke im Bereich Schwabhäuser Straße / Schlossergasse. Dann wurden die 1700 Quadratmeter großen Flächen beräumt und die betroffenen Straßen und Infrastrukturleitungen erneuert. 2005 folgte ein Wettbewerb für eine Neubebauung des Areals mit Einfamilienhäusern, den das Erfurter Büro Mann & Nolte für sich entscheiden konnte. Anschließend begann die Stadt mit einer intensiven Werbung um Bauherren.

Als zweite Maßnahme wurde im Juni 2006 die Initiative "Gotha lebt" gestartet. Zuerst wurden zahlreiche leerstehende Grundstücke und Häuser in der Altstadt in einem Leerstandskataster zusammengefasst. Anschließend begann die Stadt mit einer Vielzahl von Vermarktungsbemühungen. Ein Informationsbüro wurde eröffnet, in dem sich Interessenten über die Investitions- und Fördermöglichkeiten in der Altstadt informieren können. Weitere Aktivitäten waren ein Internetauftritt, die Aufstellung von Werbeschilder vor den leeren Grundstücken und Häusern, Informationsveranstaltungen sowie eine temporäre gärtnerische Gestaltung leerer Grundstücke im Rahmen der Entente florale 2006. Zudem wurden mehrere Architekturbüros in Gotha und Umgebung mit der Erarbeitung von Musterentwürfen für Neubauten und Sanierungen in der Innenstadt beauftragt, die potenziellen Bauherren Investitionssicherheit bieten sollen.

Die dritte Maßnahme war ein stärkeres Engagement der städtischen Baugesellschaft Gotha (BGG) für die Innenstadtsanierung.

Doch in der Praxis wurden diese Maßnahmen durch ungünstige Rahmenbedingungen konterkariert. Das Projekt "Genial zentral" wurde von Anfang an durch die andauernde Schrumpfung der Gothaer Bevölkerung auf nunmehr 46.000 Einwohner und eine entsprechend niedrige Nachfrage nach Eigenheimen gebremst. Auch der von der Stadt forcierte Abriss von Plattenbauten in Gotha-West führte keineswegs zu einer stärkeren Nachfrage nach der Innenstadt. Denn viele Bewohner der Abrisshäuser waren schon aus finanziellen Gründen nicht zu Investitionen in der Innenstadt in der Lage. Nur mit Mühe und Abstrichen am gestalterischen Anspruch gelang es 2006, den Bau von drei Reihenhäusern an der Schlossergasse zu erreichen. Da die Reihenhäuser, die vom Büro AIG Gotha entworfen wurden, nicht mehr als 200.000 Euro kosten durften, konnte nur eine sehr schlichte Gestaltung verwirklicht werden. Die Realisierung weiterer Neubauten ist bis jetzt allerdings gescheitert. Zudem hat die Abschaffung der Eigenheimzulage Ende 2005 die ohnehin geringe Eigenheimnachfrage nochmals verringert.

Mit ähnlichen Problemen hat auch die Initiative "Gotha lebt" zu kämpfen. Hier gelang es aufgrund der fehlenden Nachfrage ebenfalls nicht, Interessenten für leere Innenstadtgrundstücke oder Gebäude zu finden.

Erfolgreicher entwickelte sich die Sanierungstätigkeit der BGG, die derzeit ein bis drei Altstadtgebäude pro Jahr saniert. Doch auch die BGG hat Probleme. Die hohen Sanierungskosten, die oft mehr als 2000 Euro pro Quadratmeter Wohnfläche betragen, können durch die erzielbaren Mieten von 4,50 Euro nicht refinanziert werden. Deshalb ist die BGG auf Fördergelder angewiesen. Doch bei der Vergabe von Fördergeldern werden die kommunalen Wohnungsunternehmen benachteiligt. Denn attraktive Fördermöglichkeiten, wie die Denkmalabschreibung und die Sanierungsabschreibung, können zwar einkommensstarke Privateigentümer, nicht aber kommunale Wohnungsunternehmen in Anspruch nehmen. Folgerichtig kann die BGG nur in begrenztem Maß Häuser sanieren.

Die Folge dieser Probleme ist, dass der Verfall weiter Altstadtbereiche und der Abriss wertvoller Bausubstanz weitergeht. Die Stadt Gotha kann für diese Misere allerdings kaum verantwortlich gemacht werden. Unter den derzeitigen Rahmenbedingungen ist eine Stärkung der Innenstädte vielerorts kaum machbar - trotz aller Bemühungen.

Matthias Grünzig