Artikel/Vorträge zum Stadtumbau - Bauwelt 27/2006
Grüne Mitte Buckau (Magdeburg)

Was tun mit gründerzeitlichen Arbeiterquartieren? Diese Frage stellt sich in vielen Städten, in denen gerade die Gründerzeitviertel mit Leerstand und sozialem Abstieg zu kämpfen haben. Eine Antwort auf diese Frage bietet die Umgestaltung von Magdeburg-Buckau, wo in den letzten Jahren ein besonders ehrgeiziges Stadterneuerungskonzept realisiert wurde.

Buckau war Ende der neunziger Jahre der schwierigste Stadtteil Magdeburgs. Das zwischen 1870 und 1910 errichtete Quartier litt unter miserablen Wohnbedingungen, einer extrem dichten Bebauung, einem Mangel an Grünflächen und Balkonen. Diese Mängel konnten auch durch die Erklärung Buckaus zum Sanierungsgebiet 1991 und der folgenden Sanierung von über 40 Prozent der Wohnungen nicht behoben werden. Im Gegenteil: Buckau erlebte nach 1990 den Verlust von über 30 Prozent der damals 4500 Einwohner. Der Wohnungsleerstand stieg bis zum Jahr 2000 auf dramatische 51,9 Prozent an, und selbst in frisch sanierten Häusern standen 21,5 Prozent aller Wohnungen leer. Zu alledem entwickelte sich Buckau zu einem sozialen Brennpunkt, in dem der Anteil an Arbeitslosen und Sozialhilfeempfängern rund doppelt so hoch wie in der Gesamtstadt war.

Angesichts dieser Entwicklungen wurde 2001 eine Wende in der Buckauer Sanierungspolitik eingeleitet. Nunmehr stand nicht mehr die vollständige Erhaltung der vorhandenen Stadtstrukturen, sondern eine Auflockerung und Durchgrünung des Stadtteils im Mittelpunkt. Das zentrale Element dieses Konzepts war der Grünzug "Grüne Mitte", der auf einem bebauten Gebiet zwischen dem Knochenpark an der Schönebecker Straße und der Dorotheenstraße entstehen sollte. Ein 2001 veranstalteter landschaftsplanerischer und städtebaulicher Realisierungswettbewerb konnten die Büros Stucken und Thiele (Bötersen) und die Arbeitsgemeinschaft Lohaus und Carl mit Müller (Hannover) für sich entscheiden.

Die Realisierung der "Grünen Mitte" gestaltete sich besonders schwierig, weil sich die benötigten Grundstücke mehrheitlich in Privateigentum befanden. Deshalb war der Sanierungsträger Baubecon zu langwierigen und kostenaufwändigen Verhandlungen gezwungen, die schließlich zum Erwerb der benötigten Grundstücke und dem Abriss der vorhandenen Gebäude führten. An ihrer Stelle entstand zwischen 2003 und 2006 ein Grünzug mit einem Spielplatz "Über den Wolken", einem Ruheplatz mit Sitzbänken, Hecken und Pergolen, einem Kreativgarten für Kinder, einem Kunstgarten sowie einem Baumlabyrinth. Finanziert wurden die Grunderwerbs- und Baukosten von rund 4 Millionen Euro durch Städtebaufördermittel und durch EFRE-Mittel der Europäischen Union.

Parallel zur Gestaltung der "Grünen Mitte" erfolgte die Sanierung und der Umbau der übriggebliebenen Gebäude. Besonders wichtig war die Schaffung neuer soziokultureller Einrichtungen, die nicht nur für eine Belebung leer stehender Häuser, sondern auch für eine soziale Stabilisierung Buckaus sorgen sollten. Es entstanden das Jugendfreizeitzentrum "Quo Vadis", das Frauenzentrum "Courage", der Bürgertreffpunkt "Buckauer Stübchen", das Jugendumweltbüro, das Jugendzentrum "HOT", das Kulturzentrum Volksbad Buckau, die Stadtteilbibliothek, das Blaue-Welt-Archiv, das Stadtteilzentrum "Thiembuktu", das Literaturhaus, das Buckauer Jugendbüro, das Puppentheater, das Kulturzentrum "Alte Feuerwache" mit der Jugendkunstschule und der Telemann-Musikschule und vieles andere mehr.

Trotz dieser Bemühungen ist die bisherige Bilanz des Buckauer Stadtumbaus umstritten. Einerseits hat der Stadtumbau zu einem Anstieg der Einwohnerzahl auf 4340 Bürger geführt. Andererseits verzeichnet der Stadtteil trotz des Bevölkerungszuwachses einen Wohnungsleerstand von 45,5 Prozent, weil durch die Sanierung bisher unbewohnbarer Altbauten auch die Wohnungszahl gestiegen ist. Der Leerstand von sanierten Wohnungen ist in den letzten Jahren sogar auf 31,7 Prozent gestiegen. Zudem mussten und müssen für die Aufwertung Buckaus einschließlich der soziokulturellen Einrichtungen erhebliche Mittel aufgewendet werden, die kaum noch finanzierbar sind. Aus diesem Grund wurde die erst 1996 eröffnete Stadtteilbibliothek wieder geschlossenen.

Angesichts dieser Entwicklung wird zunehmend die Frage nach der Nachhaltigkeit einer dermaßen umfassenden Altbausanierung gestellt. Der Verband der privaten Hauseigentümer "Haus und Grund" fordert beispielsweise eine stärkere Ausrichtung des Stadtumbau-Ost-Programms auf Abrisse in den Altbaugebieten. Privateigentümer, die sich zu Abrissgemeinschaften zusammenschließen und ganze Quartiere abreißen, sollen demnach Abrissprämien von 120 Euro pro Quadratmeter Wohnfläche (statt bisher 60 Euro) erhalten. Die Stadterneuerung in Buckau dürfte also noch für viele Diskussionen sorgen.

Matthias Grünzig